Dienstag, 6. Januar 2015

Filmvorstellung: Angel‘s Egg (Tenshi no Tamago)




„Angel‘s Egg“ ist im Jahre 1985 erschienen und damit drei Jahre nach „The Last Unicorn“. Die zeitliche Nähe dieser Animefilme lässt sich meiner Meinung nach gut an den Gesichtsanimationen erkennen, obwohl ich darin kein Experte bin. Die Schöpfer hinter diesem Film waren der spätere „Ghost in the Shell“ Regisseur Mamoru Oshii und der Künstler Yoshitaka Amano.


Originaltitel:                 Tenshi no Tamago
Regisseur:                     Mamoru Oshii
Erscheinungsjahr:       1985
Laufzeit:                        71 Minuten



Die Handlung ließe sich sehr schnell zusammenfassen, da ich allerdings nicht schon zu viel verraten will, wird der Abriss dieses Mal extra kurz ausfallen. Das namenlose kleine Mädchen mit den weißen Haaren ist die Hauptfigur des Filmes. Sie lebt allein in einer postapokalyptisch anmutenden Welt und trägt dabei das namensgebende Ei, dessen Beschützerin sie ist, unter ihrem Kleid mit sich herum. In einer verlassenen Stadt begegnet sie einem Wanderer mit weißen Haaren, der ihr nun zu folgen beginnt.

Das viel Entscheidendere ist allerding die visuelle Ebene des Animefilmes, die groteske Schönheit seiner Bilder. Die dominierenden Farben im Szenenbild von „Angel‘s Egg“ sind Blau und Schwarz. Die Atmosphäre ist düster, die Geräusche auf ein Minimum beschränkt, im ersten Drittel hört man fast ausschließlich das Gurgeln von Wasser aus Quellen, Brunnen und kleinen Teichen. Diese sehr melancholisch und teilweise surreal wirkende Welt trägt einen großen Teil der Wirkung, die der Film auf mich hatte. Sie wird untermalt von orchestraler, stellenweise hypnotisch anschwellender Musik. Dialoge gibt es nur wenige und die geben größtenteils mehr Rätsel auf, als das sie zur Klärung beitragen würden.

 
Dramatis personae

Das bringt mich zum zentralen Punkt meiner kurzen Filmvorstellung. Angel‘s Egg ist eine große Allegorie, die vom Zuschauer entschlüsselt werden möchte. Es wird zwar auch eine Geschichte erzählt, aber die ist eigentlich nur ein Mittel, um die stark jüdisch/christlich geprägte Symbolik zu entfalten. Die Bedeutung der Ereignisse bleibt offen für Interpretationen und ob man „Angel‘s Egg“ etwas abgewinnen, kann hängt sehr davon ab, wie man zu dieser Art von Filmen steht. Ich mag es, wenn eine Geschichte mir Raum für meine eigene Deutung lässt und nicht alle ihre Mysterien selbst enthüllt, natürlich gibt es auch dabei bessere und schlechtere Beispiele, dieses hier ist eines der besseren aus meiner Sicht.

Ein vergleichbarer Film, an den ich dabei oft denken musste ist etwa „Valhalla Rising“ von Nicolas Winding Refn, der ebenfalls mit wenigen Dialogen und sehr reduzierter Handlung eine meditative Stimmung transportiert (inklusive der religiös/spirituellen Untertöne).   
 
Ich habe mich dagegen entschieden hieraus einen Interpretationsversuch zu machen (folgt möglicherweise in der Zukunft), es geht mir eher darum ihn einmal vorgestellt zu haben und vielleicht ist ja der eine oder andere neugierig geworden. Man sollte ihn sich meiner Meinung nach am besten alleine und nachts ansehen.

Montag, 29. Dezember 2014

Rezension: Der König in Gelb


„Der König in Gelb“ ist eine Sammlung von ursprünglich zehn Erzählungen des amerikanischen Schriftsteller Robert W. Chambers (1865-1933). Dessen Ruf als Pionier der modernen Horrorliteratur ist hauptsächlich diesem Buch zuzuschreiben und der Wirkung, die es auf die Werke anderer Autoren hatte, allen voran auf H.P. Lovecraft.








 Originaltitel:                          „The King in Yellow“

Autor:                                       Robert W. Chambers    

Erstveröffentlichung:            1895

Verlag:                                      Festa Verlag

Seiten:                                      189

ISBN:                                       3865523323




Zum Autor:



Robert William Chambers kam über das Malen zur Kunst. Er hatte von 1886 bis 1893 Malerei in Paris studiert und seine erstes Buch „In the Quarter“ über seine Studentenzeit geschrieben. „Der König in Gelb“ war sein zweites, von insgesamt über 80 Büchern und brachte seinem Autor einen durchschlagenden Erfolg. In direkter Folge erschienen noch zwei weitere phantastische  Bücher („The Maker of Moons“ und „The Mystery of Choice“) die allerdings heute hinter der Bekanntheit von „The King in Yellow“ zurückstehen und denen auch nicht mehr dieselbe Bedeutung zuerkannt wird. Heute ist Chambers hauptsächlich als Verfasser früher Horrorliteratur bekannt, der Großteil seiner Werke ist allerdings anderen Genres zuzurechnen (historische Geschichten, Kinderbücher, Science Fiction etc.).

 

Inhalt, Wirkung und Einflüsse:



Das fiktive Theaterstück „Der König in Gelb“ taucht als verbindendes Element in den ersten vier Erzählungen und in der Widmung der Sammlung auf(Cassildas Lied). Diese ersten vier Geschichten, also: „Der Wiederhersteller des guten Rufes“, „Die Maske“, „Am Hof des Drachen“ und „Das gelbe Zeichen“, sind auch die einzigen, die wirklich als „Horrorerzählungen“ gelten können. Man darf dabei natürlich nicht die Intensität und Effektbezogenheit heutiger Horrortexte erwarten. Chambers entfaltet seine Geschichten langsam und verliert sich oft in Nebensächlichkeiten, die nicht zur eigentlichen „Pointe“ beitragen, was mich aber nicht wirklich gestört hat.


In diesen vier Texten geht es um Menschen, deren Lebenswelt durch den Kontakt mit dem „König in Gelb“ nach und nach von der Welt des Buches überlagert und schließlich verschlungen wird. Neben dem Theaterstück, taucht in den Erzählungen: „Am Hof des Drachen“ und „Das gelbe Zeichen“ außerdem die Figur des gelben Königs selbst, als eine den Verstand zerstörende Macht auf, so zu sagen als Vollendung des Zersetzungsprozesses, der durch das Lesen des Buches begonnenen hatte.  Die Opfer, die meistens Künstler sind, oder sich in deren Kreisen aufhalten, nehmen den außerirdischen Schauplatz des Theaterstückes danach als Teil der Wirklichkeit wahr und können ihn nicht mehr vergessen (es ist mehrmals von schwarzen Sternen, den Zwillingssonnen, dem Ort Carcosa und dem See Hali die Rede). Diese Vermischung führt letztendlich zum Wahnsinn, der das zentrale Grauen ausmacht.


„Dies ist, was mich beunruhigt, denn ich kann Carcosa nicht vergessen, an dessen Himmel schwarze Sterne hängen; wo sich der Schatten menschlicher Gedanken des Nachmittags verlängert, wenn die Zwillingssonnen im See von Hali versinken; und in meinem Geist wird auf ewig die Erinnerung an die bleiche Maske bleiben.“ (S. 13)


Das für mich interessanteste daran, ist das von H.P. Lovecraft übernommene Motiv des „gefährlichen Wissens“. Die Opfer des „Königs in Gelb“ machen nämlich die schreckliche Wahrheit, die das Buch beinhaltete für ihr anhaltendes Grauen und ihrer veränderte Wahrnehmung verantwortlich. Sie sind Mitwisser von etwas geworden, das der menschliche Geist nicht erfassen kann, folglich müssen sie daran zu Grunde gehen. Das verbotene Buch wurde zu einer Vorlage für Lovecrafts „Necronomicon“ und in der Geschichten „Der Ruf des Cthulhu“ zum Beispiel, bereut der Erzähler, genau wie die Leser des verfluchten Theaterstückes, dass er nach Dingen geforscht hat, die seinen Geist vergiften. Außerdem wurde der Name „Hastur“ aus dem „König in Gelb“ auch in den Cthulhu-Mythos aufgenommen. Von Lovecraft selbst zwar nur am Rande erwähnt, wurde er von August Derleth später als einer der „Großen Alten“ etabliert.


Als Einflüssen von Chambers werden unter anderem die beiden großen Namen: Edgar Allan Poe und Ambrose Bierce genannt. Von Bierce haben ich bisher leider noch nichts gelesen, aber es ist ziemlich leicht ersichtlich, dass die Namen: Carcosa, Hastur und Hali ursprünglich von ihm stammten und von Chambers entlehnt wurden. Die Anlehnungen an Poe kann ich besser nachvollziehen, wie zum Beispiel die Ähnlichkeit zwischen der Gestalt und Wirkung des gelben Königs, mit der in Lumpen gekleideten Erscheinung aus „Die Maske des roten Todes“. Vor allem bei der zweiten Erzählung in diesem Buch: „Die Maske“, musste ich an Poe denken. Der „König in Gelb“ spielt darin nur eine Nebenrolle, stattdessen geht es um den Verlust geliebter Menschen und sie ähnelt meiner Meinung nach, in der Art und Weise wie das Thema behandelt wird, der Erzählung: „Ligeia“.


Die übrigen drei Erzählungen: „Die Jungfer d’Ys“, „Das Paradies der Propheten“ und „Die Straße der Vier Winde“, haben eine andere Ausrichtung. Es sind keine „Horrorgeschichten“ mehr, wobei sie teilweise auch von Übernatürlichem berichten, stattdessen haben sie einen sehr schwelgerischen, manchmal auch schwülstigen Ton. Auch inhaltlich hängen sie nicht mehr wirklich zusammen. Ein verbindendes Element der ganzen Sammlung ist allerdings, dass die Schauplätze überwiegend in Frankreich liegen, oft in Paris, wie beispielsweise „Am Hof des Drachen“.  


Meinung:



Meine Lieblingserzählung aus diesen Sieben ist: „Das gelbe Zeichen“, auch wenn es eine sehr klassische Schauergeschichte ist (romantische Schauplätze, Liebe, Wahnsinn und Tod usw.). Sie reicht meiner Meinung nach am ehesten an die Effektivität zum Beispiel eines Edgar Allan Poe heran. Trotzdem haben mir die ersten vier Erzählungen alle gut gefallen, vor allem durch den mythologischen Überbau des „König in Gelb“ der sie verbindet und den ich sehr faszinierend fand, auch weil Chambers glücklicherweise darauf verzichtet hat, die Dinge kaputt zu erklären. Die drei restlichen Geschichten fand ich weniger interessant, an manchen Stellen eher unfreiwillig komisch und ich merke beim Schreiben, dass ich schon vieles davon wieder vergessen hatte. Drei von den eigentlich zehn Texten fehlen hier außerdem („Die Straße der ersten Hülle“, „Die Straße unserer Dame der Felder“ und „Rue Barrée“) und das gehört zu den zwei Kritikpunkten, die ich unabhängig vom eigentlichen Text, an dieser deutschen Ausgabe habe, zumal es nirgendwo im Buch erklärt oder begründet wird. Der zweite betrifft das Cover, ich weiß zwar, dass das reine Geschmacksache ist, aber für mich sieht es nach billiger Standardfantasy-Ware aus und nicht wie das Buch eines Genrepioniers von 1895.

Mein Interesse an diesem Buch rührte hauptsächlich von seiner Stellung zwischen Poe und Lovecraft her und den Verbindungen, die von ihm zu ihnen führen. Ohne dieses Kontextwissen würde mein Urteil wahrscheinlich negativer ausfallen, wer sich aber für den Übergang von der, oft noch sehr romantischen, Schauerliteratur des 19. Jahrhunderts zum „cosmic horror“ des Cthulhu-Mythos interessiert, für den ist der „König in Gelb“ ein sehr lohnenswertes Buch. 


Links: 

Die Ausgabe des Festa Verlags 

Robert W. Chambers im englischen Wikipedia